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Memel, the 15th, November 1900

 

Received

MEMEL16.NOV.00

 

To the honorable

Mr. Mayor Cranz ,here.

 

 

As per the enclosed document, the local police asked me to leave the city within three days. I have finished training as a watchmaker, have a workshop and a small store, and have lived here for about ten years.

 

With the well-known generosity of Your Honor I am convinced that this provision and especially this extremely rigorous rule to leave the city within three days has been initiated by Your Honor. In any case, such a rigorous action has been unknown so far.

 

I am gladly ready to leave the city within a short period of time; however, I request that you extend this period until Spring. Suddenly leaving the city would be my complete ruin since it is impossible to move my businesses in this time. Apart from this, I ask you humbly to also graciously consider the following circumstances.

 

Because I made some written notes for an emigrant, I am entangled in a criminal procedure by the public prosecutor's office, due to this matter of promotion of prohibited emigration for an emigrant, and a relative of mine has deposited 3000 Marks at the court of record for my bail to release me pending trial. Since I assume the proceedings will probably begin soon, I therefore ask, out of consideration for the depositor, to allow my residence [in the Province, i.e., to not expel me from East Prussia] before the resolution of the matter, or else the depositor would be forced to withdraw the sum, [and if that happened] I could be placed again in detention pending trial.

 

In that I hope that your honor will grant my request.

 

German:

 

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Memel den 15 Novbr. 1900

 

Eingegangen                                                                    

MEMEL16.NOV.00

 

An Sr. Hochwohlgeboren                                              

Herrn Landrath Cranz ‚ Hier.

 

Lt. Beiliegen dem Schriftstück wurde ich von der hiesigen Polizei aufgefordert, binnen drei  Tagen die Stadt zu verlassen. Ich bin ausgelernter Uhrmacher. habe eine Werkstatt und einen kleinen Laden und wohne hier schon seit ca. 10 Jahren.

Bei dem allbekannten humanen Sinn  Ew. Hochwohlgeboren bin ich überzeugt, dass diese Massregel . besonders aber die äusserst rigorose Bestimmung binnen drei Tagen die Stadt zu verlassen von Ew. Hochwohlgebor herrührt. Jedenfalls ist solch ein rigoroses Vorgehen bis jetzt unbekannt gewesen.

Ich bin gerne bereit, die Stadt binnen einer kurzen Frist bestimmt zu verlassen doch gestatte mir die gehorsamst Bitte, diese Frist bis zum Frühjahr zu verlängern. Plötzli­ches Verlassen der Stadt wäre gleichbedeutend mit meinem vollständigen Ruin, da meine Geschäfte unmöglich in dieser Zeit abwickeln kann Ausser dem bitte ich gehorsamst noch Folgendes gütigst in Betracht ziehen zu wollen.

                Dadurch, dass ich für einen Auswanderer einige schriftliche Notizen machte wurde ich von der Staatsanwaltschaft in ein Strafverfahren wegen Begünstigung unerlaubter Auswanderung verwickelt Die Sache schwebt noch und hat ein Verwandter von mir Mk. 3 0 0 0 beim Ge­richt deponirt. um mich die Untersuchungshaft zu entziehen, Wie ich annehme, wird die Verhandlung wohl bald eröffnet und darf ich daher wohl bitten, schon aus Rücksicht für den Deponenten. mir bis zur Erledigung der Sache den Aufent­halt zu gestatten da der Deponent sonst ge­zwungen wäre, die Depotsumme zurückzuziehen sodass ich mich wieder in Untersuchungshaft werde begeben müssen.

Indem ich hoffe. dass Ew. Hochwoh1geboren meiner Bitte gütigst stattgeben werde.

 

zeichne ganz gehorsam